Konflikte, Unruhe, Hitze: Wann Konflikte schaden, wann sie helfen
Konflikte können sehr hilfreich sein!
Wir verwenden aber doch sehr viel Zeit, Energie und Geld darauf, Konflikte möglichst gar nicht erst entstehen zu lassen oder zumindest so schnell wie möglich aus dem Weg zu räumen. Warum tun wir das, wenn Konflikte produktiv sind?
Konflikte können sehr hilfreich sein! Deshalb lohnt es sich daran zu arbeiten Konflikte besser aushalten zu können (Das ist eine merkwürdige Idee für dich? Dann schau doch mal in diesen Blogpost!).
Wir verwenden sehr viel Zeit, Energie und Geld darauf, Konflikte möglichst gar nicht erst entstehen zu lassen oder zumindest so schnell wie möglich aus dem Weg zu räumen. Die Nachfrage nach Moderatoren und Konfliktmediatoren boomt. Die Führungskräfte, die ich begleite, berichten oft davon, wieviel „Druck von oben“ sie nicht an ihr Team weitergeben, um keinen Konflikt aufkommen zu lassen. Warum tun wir das, wenn Konflikte produktiv sind?
Aus gutem Grund. Denn natürlich sind nicht alle Konflikte hilfreich. Nur wo liegt die Grenze? Woran kannst du merken, dass ein Konflikt schadet und nicht nützt?
Eine Möglichkeit ist sich vorzustellen, dass bei einem Konflikt „Hitze“ oder auch „Unruhe“ entsteht. Das Ausmaß der Hitze kann jedoch schwanken:
Geringe Hitze = Komfortzone: Hier findet wenig produktive Auseinandersetzung statt. Oft ist das der Zustand, in dem Menschen einen Konflikt unter den Teppich kehren.
Sehr hohe Hitze = Panikzone: Hier findet auch wenig produktive Auseinandersetzung statt, denn die Menschen fühlen sich durch den Konflikt überfordert.
Zwischen diesen beiden Zonen = Lernzone: Der Bereich, in dem Lernen und nachhaltige Transformation stattfindet, in dem die Menschen sich beteiligen und Fortschritte erzielen.
Konflikte sind also immer dann hilfreich, wenn die Hitze angemessen dosiert ist: Es muss dringend und heiß genug sein, dass sich die betroffenen Personen aus ihrer Komfortzone herausbewegen und dass Lernen und Auseinandersetzung möglich sind. Gleichzeitig darf die Toleranzschwelle der Personen nicht überschritten werden – es darf nicht zu heiß werden.
Auf Hitze und Anspannung reagieren Menschen immer auch emotional. Um herauszufinden, wo du selbst, dein Team oder deine Organisation gerade diesbezüglich steht, ist es wichtig, Emotionen umsichtig und treffsicher wahrzunehmen. Deshalb wird zur Zeit so viel über emotionale Intelligenz gesprochen. Außerdem lohnt es sich gut einzuordnen, ob das, was du beobachtest, ein Anzeichen für Lernen, für Panik oder für Komfort ist.
Am besten fängst du bei dir selbst an und beobachtest einmal deinen Arbeitstag. Wann lernst du am meisten dazu? Wie gut entwickelst du dich, wenn der Tag seinen üblichen Lauf geht? Wie sehr lernst du, wenn auch mal Reibungen mit Teammitgliedern entstehen? Wie verändert sich das, wenn es zu heiß wird – wie reagierst du dann?
Dieselben Fragen und Beobachtungen kannst du auf dein Team oder deine Organisation übertragen.
Mögliche Indikatoren für Lernen sind:
Es wird inhaltlich und authentisch diskutiert
Es werden offen kontroverse Standpunkte angesprochen
Einige Indikatoren für Panik (und Achtung! Panik bedeutet nicht nur „wütendes oder ängstliches Ausagieren“ sondern kann alle Formen von Fight, Flight, Freeze annehmen), z.B.:
Mentales rausbeamen
Tatsächliches Verlassen des Raumes/des Meetings
Attackieren, Bloßstellen, schwarze Peter zuschieben
Diskussionen über die Art der Treffen, die Art der Moderation, …
Festhalten an technischen Aspekten des Problems
Einige Indikatoren für Komfort können sein:
Passive Teilnahme
Keine oder nur vereinzelte Verantwortungsübernahme
Wenig Beteiligung (explizit verbal oder auch wenig Mitdenken)
Im ersten Schritt lohnt es sich, besser darin zu werden Konflikte, die Hitze die dadurch bei dir und anderen entsteht und den Umgang damit zu beobachten. Die drängende Frage ist anschließend natürlich: Wie kann ich die Temperatur regulieren? Wann und wie steuere ich mich selbst, mein Team und meine Organisation damit Lernen stattfindet? Mehr dazu im nächsten Blogpost.
Konflikte – ewiger Fluch im Job? Wie du vom Konfliktvermeider zum Konfliktprofi wirst
Unruhe und Konflikte in Teams und Organisationen sind lästig und ärgerlich und nervig und so wahnsinnig unproduktiv. Genauso wie in privaten Beziehungen. Streit ist doch eigentlich immer überflüssig und kräftezehrend. Wie schön wäre die Welt ohne Konflikte?
Wirklich?
Unruhe und Konflikte in Teams und Organisationen sind lästig und ärgerlich und nervig und so wahnsinnig unproduktiv. Genauso wie in privaten Beziehungen. Streit ist doch eigentlich immer überflüssig und kräftezehrend. Wie schön wäre die Welt ohne Konflikte?
Wirklich? Ja, irgendwie schon. Natürlich wäre es toll, wenn alles immer nur harmonisch wäre. Aber wenn ich ehrlich bin, habe ich immer dann am meisten gelernt, wenn ich mich einem Konflikt (mit mir selbst oder mit anderen) gestellt habe und ihm so richtig auf den Grund gegangen bin. Und das zeigt mir auch meine Arbeit mit Menschen, Teams und mit Organisationen: Entwicklung ist immer das Ergebnis von Auseinandersetzung. Deshalb die folgende, steile These (angelehnt an Ronald Heifetz, Harvard):
Konflikte sind fast immer produktiv und eine großartige Gelegenheit, im Dienst einer Sache wirkungsvoll zu führen.
Denn Konflikte zeigen uns:
Wo Veränderungsarbeit stattfinden muss
Wo Dissens in einem Team vorherrscht und ernst genommen werden muss
Wo Brücken zwischen verschiedenen Teilen eines Teams oder eines Unternehmens gebaut werden sollten
Wo Leitung und andere Teammitglieder neugierig nachfragen können: Du scheinst das anders als ich zu sehen. Kannst du mir bitte mehr erzählen?
Für Menschen ist es unterschiedlich leicht, Konflikte auszuhalten. Mir fällt es beruflich als Trainerin und Beraterin recht leicht, weil ich dort von außen beobachte und Impulse gebe. Privat tue ich mich schwerer. Hier bin ich selber Teil des Systems und vertrete eigene Interessen. Ob jemand Konflikte gut toleriert variiert also auch je nach Situation.
Wenn du jemand bist, die panisch reagiert, wenn es konflikthaft wird, versuchst du vielleicht Harmonie herzustellen: Du versuchst Lösungen anzubieten oder durchzusetzen, bemühst dich zu beruhigen und zu besänftigen, den Konflikt zu vermeiden oder es „schön“ zu machen. Dann wird es aber sehr schwer für dich zu führen (Führung? Was ich damit meine erfährst du hier). Denn du vermeidest genau den Punkt, an dem ein Konflikt ausdiskutiert werden kann, und zwar von den Personen, die ihn haben – und die den Konflikt in einen Kompromiss oder eine andere Form der Auflösung überführen könnten.
Konflikte auszuhalten kann man lernen. Ähnlich wie Schwimmen oder Fahrradfahren. Im ersten Schritt geht es dabei erstmal darum, den Konflikt auszuhalten – nicht ihn zu lösen. Hier sind fünf Strategien, die du dafür in der nächsten Konfliktsituation anwenden kannst:
Sage dir: „Jetzt gerade übe ich meine Konflikttoleranz“.
Halte inne und achte auf deine Gefühle. Schätze deine Anspannung auf einer Skala von 0-10 ein, wo null „gar nicht angespannt“ und zehn „voll und ganz angespannt“ ist. Beschreibe dein Gefühl. Sage dir dann: „Ich habe dieses Gefühl – ich bin es aber nicht.“
Wenn es schwierig wird, nichts zu sagen: Benenne die Gefühle, die „in der Luft“ sind (und nicht Lösungen, die dir vorschweben oder die Maßnahmen, die es angenehmer machen könnten). Sage zum Beispiel: „Ich habe den Eindruck, viele sind gerade sehr genervt. Was ist eigentlich gerade genau los?"
Frage dich in einer ruhigen Minute danach: Was macht es mir schwer den Konflikt auszuhalten, welcher Nerv wird bei mir getroffen? Das wird dir helfen besser zu verstehen was deine Toleranz für Konflikte niedrig hält. Die Antwort liefert dir außerdem unmittelbar Ideen, wo du dich entwickeln kannst 😊
Nimm Kritik nicht persönlich, sondern verstehe sie aus der Rolle heraus, die du in diesem Kontext hast. Ein Beispiel: Deine Mitarbeiter sind durch hohe Arbeitsbelastung frustriert und teils überfordert. Ihre Kritik hat womöglich viel damit zu tun, dass du der Überbringer schlechter Nachrichten bist („Die Arbeit muss getan werden und als Führungskraft mute euch diesen Frust zu“) als mit deiner Person.
Viel Spaß und Mut beim Ausprobieren! Vielleicht hast du weitere Vorschläge, wie du deine Konflikttoleranz verbessern kannst?
Natürlich gibt es auch Konflikte, die zu nichts führen oder sogar schaden. In einem nächsten Post werde ich erzählen, wie du produktive von unproduktiven Konfliktsituationen unterscheiden kannst.