Wirkungsvolle Führungskräfteentwicklung darf riskant sein

Bei KONU sind wir der Meinung, dass sich wirkungsvolle Führungskräfteentwicklung durch drei Merkmale auszeichnet. Wirkungsvolle Führungskräfteentwicklung…

1. befördert Entwicklung

2. ist erfahrungsorientiert

3. und darf riskant sein.

Dieser Blogpost ist der letzte Teil einer dreiteiligen Serie über jede dieser grundlegenden Säulen.

Teil 3: Wirkungsvolle Führungskräfteentwicklung ist riskant - und das risiko wert

Ich habe bisher gesagt, dass eine wirkungsvolle Führungsentwicklung entwicklungs- UND erfahrungsorientiert ist.

Was macht entwicklungs- und erfahrungsorientierte Führungsentwicklung aus?

  1. Es wird mit den realen Herausforderungen der Teilnehmenden und der Gruppe gearbeitet (statt mit externen Fallbeispielen);

  2. Es wird nicht nur kognitiv gearbeitet, sondern die Teilnehmenden werden auch emotional herausfordert; und

  3. Es herrscht ein „coachendes“ Umfeld bzw. eine coachende Haltung, das Herausforderungen bei den Teilnehmenden belässt, anstatt sie ihnen abnehmen zu wollen.

Warum also sind entwicklungs- und erfahrungsorientierte Ansätze und Methoden in der Führungskräfteentwicklung noch wenig verbreitet? Warum erleben viele Teilnehmende Führungskräfteentwicklungsprogramme als Orte, in denen sie sich beweisen sollen, nicht aber experimentieren können oder dürfen – mit der Konsequenz, dass sie dort wenig lernen und sich (fast gar nicht) entwickeln?

Ein Grund: Entwicklungs- und Erfahrungsorientierte Führungskräfteentwicklung ist riskant.

Das Wort „Erfahrung“ hat die gleiche sprachliche Wurzel wie das Wort „Gefahr“. Wir wissen aus unserer Kindheit, dass Erfahrungslernen nicht ohne Risiken ist: Wenn ich Fahrradfahren lerne, laufe ich die Gefahr, mein Gleichgewicht zu verlieren und mich zu verletzen. Das Paradoxe daran ist, dass ich mein Gleichgewicht nur finden kann, wenn ich zugleich das Risiko eingehe, mein Gleichgewicht zu verlieren.

Welche Risiken gehen wir ein, wenn wir – als Lernende und Moderator:innen – es zulassen, bei der Entwicklung von Führungskräften das Gleichgewicht zu verlieren – und wie können wir diese Risiken bewältigen?

Risiken für Lernende - und wie man diese bewältigt

Da viele Berufstätige bei dem, was sie tun, fast immer erfolgreich sind, erleben sie selten Misserfolge. Und weil sie selten gescheitert sind, haben sie nie gelernt, wie man aus Fehlern lernt.
— Chris Argyris

Die größte Gefahr: Scham

Als einer meiner Söhne im Alter von drei Jahren gerade Fahrradfahren gelernt hatte, platzte er vor Stolz. Eines Tages jedoch fuhr er mit seinem Fahrrad los, fuhr vom Asphalt auf Schotter, geriet ins Schleudern, fiel vom Fahrrad und schürfte sich die Hände auf. Er weinte bitterlich – weniger wegen des körperlichen Schmerzes, schien mir als ich ihn tröstete, als aus der Scham der Erkenntnis, doch noch kein so guter Radfahrer zu sein, wie er zuvor gedacht hatte.

Die Konfrontation mit den Grenzen der eigenen Kompetenz ist schamhaft. Das gilt insbesondere für Erwachsene. Und insbesondere dann, wenn es sich um etwas handelt, von dem wir glauben, kompetent zu sein (oder sein zu müssen). Wenn ich heute beginnen würde, Gitarre spielen zu lernen, würde ich keine Scham empfinden, absolute Anfängerin zu sein. Aber die Organisation zu führen, deren Chefin ich bin – da sollte ich doch kompetent sein (oder: mich kompetent zeigen), oder?

Erfahrungsorientierte Ansätze in der Führungskräfteentwicklung konfrontieren Teilnehmende auch mit der eigenen Inkompetenz – und dies manchmal gar „öffentlich“, vor anderen Programmteilnehmenden. Wir bitten Führungskräfte häufig, eine Situation des Scheiterns mit in dem Workshop zu bringen, gerne eine Erfahrung, die sie nachts grübeln lässt. Einige Teilnehmende tun sich schwer mit der Aufgabe und verschließen sich („Ich habe keine Probleme, die ich nicht lösen kann“), geben anderen die Schuld („das ist nur passiert, weil andere ihre Arbeit nicht gemacht haben“), oder ziehen sich zurück („Ich lerne hier nichts“). Diese Reaktionen (fight-flight-freeze, deutsch: Kampf-Flucht-Erstarren) sind das maskierte erwachsene Äquivalent des bitteren Weinens nach dem Fahrradsturz – sie entspringen der Scham und der Angst, vor der Gruppe als inkompetent bloßgestellt zu werden.  

Warum ist Lernen – scheitern, aus-dem-Scheitern-lernen, lernen zu lernen – so schwierig, insbesondere für Erwachsene? Das Entwicklungsstufenmodell von Robert Kegan bietet einige Anhaltspunkte: Vor allem wenn wir uns in der „socialized mind“ Stufe befinden, möchten wir als kompetent oder klug wahrgenommen werden. Wenn uns unser eigenes Führungsverhalten (und dessen Grenzen) öffentlich gespiegelt wird, empfinden wir womöglich Scham. Für Führungskräfte mag es besonders schwierig sein, sich auf diese Weise zu öffnen, da sie einen (tatsächlichen oder vermeintlichen) Autoritätsverlusts befürchten. Doch gerade in der Herausforderung, die eigene Scham zu ergründen und zu überwinden, liegt für viele Führungskraft die transformative Entwicklungschance.

Risiken für Moderator:innen – und wie man mit ihnen umgeht

Auch für uns als Moderator:innenen gehen mit der erfahrungs- und entwicklungsorientierten Führungskräfteentwicklung Risiken einher. Auch wir schämen uns, nicht perfekt kompetent zu sein, und kennen den sehr menschlichen Drang gefallen und beeindrucken zu wollen, nur zu gut. Und wir wissen natürlich, dass unsere Klienten dann zufrieden sind, wenn ihre Programmteilnehmer:innen zufrieden sind! Daher müssen wir als Moderator:innenen einen Raum schaffen, der Lernende herausfordert und eben auch unterstützt. Wir achten darauf, dass der „Stress“ und die „Scham“ des Lernens erträglich bleibt und dem Lernen dient. Hier sind einige der Strategien, die wir dafür einsetzen:

In Richtung Programmteilnehmende

  • Wir klären vorab Erfahrungen und benennen, dass die Übungen unangenehme Gefühle hervorrufen können

  • Wir fordern Teilnehmende auf, im eigenen Tempo zu lernen und „für sich selbst verantwortlich zu sein“.

  • Wir leben Verletzlichkeit und öffentliches Lernen als Moderator:innen vor, um mit gutem Beispiel voranzugehen

In der Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen der Organisation

  • Wir holen uns die Erlaubnis und Unterstützung der Verantwortlichen für diese Art von Intervention ein (keine Überraschungen!)

  • Wir beziehen wenn möglich die oberste Führungsebene, z. B. CEO oder Geschäftsführung, mit ein und arbeiten mit ihnen daran, sich selbst verletzlich zu zeigen und öffentlich zu lernen, um sowohl Signalwirkung als auch Vorbildfunktion ins Unternehmen hinein zu bewirken

  • Wir laden die Verantwortlichen der Organisation ein, als Beobachter:innen an unseren Workshops und Programmen teilzunehmen, um gemeinsam mit uns zu lernen

Warum sich das Risiko lohnt

Erlebnis- und entwicklungsorientierte Methoden in der Führungskräfteentwicklung sind unbequem, aufregend und potenziell transformativ. Die Wirkung dieser Ansätze belegt zunehmend auch die Forschung, die sich mit der Erwachsenenentwicklung und Führung beschäftigt. Die Forschungsergebnisse von Tim O'Brien (Harvard University) belegen, dass erfahrungsorientierte Methoden (wie Hier-und-Jetzt-Übungen und kollegiale Fallberatungen) in den Adaptive Leadership-Kursen von Professor Ronald Heifetz an der Harvard Kennedy School mit messbaren Sprüngen in den Kegan'schen Entwicklungsstufen verbunden sind (O'Brien 2016). D. Scott DeRue und Ned Wellman von der Universität Michigan fanden heraus, dass sich Führungskräfte, die bei ihrer Arbeit bedeutende Entwicklungsherausforderungen (z. B. Übernahme neuer Aufgaben, Übernahme größerer Verantwortung, Initiierung von Veränderungen, siloübergreifendes Arbeiten, Führung diverser Teams) erlebt hatten und die Gelegenheit erhielten, ihre Erfahrungen in Feedbackprozessen systematisch zu reflektieren, sich nachweisbar weiterentwickelten (De Rue & Wellmann 2009).

Auch wir erleben in unseren Programmen, dass wir durch das gezielte Schaffen von Räumen für erfahrungsorientiertes Lernen Entwicklung, im Sinne von Kegan, befördern können. Dabei sind die in dieser Serie vorgestellten Methoden besonders wirkungsvoll für Personen, die sich im Übergang von Kegans Entwicklungsstufe 3 (socialized mind) zu Stufe 4 (self-authorzing mind) befinden - ein Entwicklungsschritt, den Führungskräfte am Anfang oder in der Mitte ihrer Führungslaufbahn durchlaufen. Wir beobachten diese Entwicklung vor allem in der Art, wie Teilnehmende Veränderungen in ihrem Denken und Verhalten beschreiben.

So sehen wir zum Beispiel:

  • Veränderungen in der Selbstwahrnehmung und in der Art und Weise, wie mit der eigenen Rolle und dem eigenen Umfeld umgegangen wird

  • Mehr Initiative

  • Ein offenerer, weniger reaktiver Umgang mit Kritik

  • Größeres Einfühlungsvermögen

  • Größere Konfliktfähigkeit

Ergebnisse aus KONU Workshops

Sind Sie bereit, Ihr Gleichgewicht zu verlieren UND neue Perspektiven zu gewinnen? Wir freuen uns auf den Austausch mit Ihnen!

Wenn Sie es bis zum Ende dieser Blogpost-Serie geschafft haben, weiß ich bereits ein oder zwei Dinge über Sie. Ich weiß, dass die Entwicklung von Führungskräften als Themengebiet entweder etwas ist, in das Sie selbst stark involviert sind (großartig!), oder es ist etwas, das Ihr Interesse geweckt hat und über das Sie mehr erfahren möchten (ebenfalls großartig!). Wir freuen uns, gemeinsam mit Ihnen eine Führungskräfteentwicklungsreise zu gestalten,

  1. die wirkliches Wachstum ermöglicht (entwicklungsorientiert),

  2. den Fokus auf das Machen und dessen Reflexion konzentriert (erfahrungsorientiert),

  3. und mutig (wertvolle) Risiken eingeht – für Sie, für Ihr Team, für Ihre Organisation.

Ich freue mich darauf, Programme für Führungskräfte mit Ihnen weiterzuentwickeln und auf die Unterschiede anzugehen, die auch Ihr Programm und Ihre Führungskräfte auf die nächste Stufe heben!

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