Führung ist eigentlich ein Verb.
Oft setzen wir Führung mit Autorität gleich. Auch umgangssprachlich: Sprechen wir etwa von Führungskräften meinen wir Menschen in Autoritätsrollen. In Abgrenzung zu Autorität und anders als in der Umgangssprache findest du hier eine neue Art über Führung nachzudenken.
Der 1. Teil der Blog-Post Serie handelte von Autorität. Autorität verleihen wir an andere Personen, damit diese uns schützen, unsere Probleme lösen, uns anleiten oder uns repräsentieren. In diesem Blog-Post soll es nun um Führung gehen. Oft setzen wir Führung mit Autorität gleich, auch umgangssprachlich: Sprechen wir etwa von Führungskräften meinen wir Menschen in Autoritätsrollen.
Ich möchte dich einladen, anders über Führung nachzudenken und zwischen Führung und Autorität deutlicher zu unterscheiden – ganz im Sinne des Titels dieser Serie („mehr Klarheit im Führungsdickicht“). In Abgrenzung zu Autorität und anders als in der Umgangssprache, bietet die folgende Definition eine neue Art über Führung nachzudenken:
Führung ist etwas was man tut, also eine Aktivität. Und zwar die Aktivität, Gruppen zu mobilisieren, adaptive Herausforderungen anzugehen und Fortschritte zu erzielen.
Bei Führung geht es also – anders als bei Autoritätsdiensten – nicht darum, Menschen vor ihren Problemen zu schützen oder sie ihnen gar abzunehmen. Vielmehr geht es darum, Menschen mit ihren hartnäckigen Problemen zu konfrontieren und diese an die betroffenen Personen „zurückzugeben“, damit sie bearbeitet werden können.
Führung bedeutet damit häufig, Menschen zu helfen
eine bittere Realität anzuerkennen
die Lücke zwischen Wunschbild und Realität zu schließen
Werte und Normen, Besitzstände und Privilegien auf den Prüfstand zu stellen
Verluste zu verkraften
eigene Lernprozesse zu befördern und neue Fähigkeiten zu entwickeln
Was hier bereits deutlich wird: Führung ist alles andere als einfach. Wen ich Menschen mit ihren Problemen konfrontiere — statt sie für sie zu lösen – dann mache ich mich nicht unbedingt beliebt. Oft genug werde ich damit die Erwartungen von Menschen an mich sogar enttäuschen. Denn Führung bedeutet, dass ich von anderen einfordere, dass sie sich raus aus der Komfortzone und rein ins unbequeme Neuland bewegen.
Beispiel Klimawandel: Der Klimawandel ist eine bittere Wahrheit, der viele von uns aus dem Weg gehen. Ein Blick auf meine Flüge im vergangenen Jahr belegen, dass auch ich mich davor winde. Die Schülerin Greta Thunberg mobilisiert mich und viele andere, über das Privileg „Fliegen“ nachzudenken. Sie fordert mich dazu auf, auf die nächste Flugreise zu verzichten und zu überdenken, was denn nun einen „guten Urlaub“ ausmacht. Wie sähe Führung zu diesem Thema aus der Politik aus? Kanzlerin Merkel könnte die Abgeordneten von CDU, SPD und anderen Parteien dazu mobilisieren, einer Besteuerung von CO2-Emissionen zuzustimmen. Was hält sie davon ab? Vermutlich die Verluste, die für die deutsche Industrie damit einhergehen würden.
Wenn ich Führung als eine Aktivität verstehe, kann ich jederzeit führen — unabhängig davon wieviel Autorität ich habe. Man denke etwa an ein Unternehmen, das sich in Punkto Fehlerkultur und Lernfähigkeit verbessern möchte (ein Anliegen vieler unserer Kunden). Hier geht es darum, die Lücke zwischen Wunschbild („Hier darf jeder Fehler zugeben“) und der Realität („Fehler werden hier verdeckt“) anzuerkennen und nach und nach zu schließen. Mitarbeitende müssen lernen, Fehler zu benennen und Unbequemes anzusprechen. Als Chefin oder aber als Praktikantin kann ich führen, indem ich das Erlernen dieser neuen Fähigkeit vorlebe. Die eigene Position in der Hierarchie bringt für meine Fähigkeit zu führen bestimmte Vorteile aber auch Einschränkungen mit sich. (Dazu mehr im Teil 3).
Was haltet ihr davon, Führung als Aktivität zu begreifen? Was findet ihr spannend? Was verursacht womöglich Unbehagen?
Autorität: die zwiespältige Macht, Erwartungen erfüllen zu müssen
Häufig meinen wir, wenn wir von Führung sprechen, gar nicht Führung – sondern Autorität. Was ist Autorität? Autorität ist eine Rolle in einem sozialen System. Eine Gruppe von Menschen („die Autorisierer“) gibt einer Person („der Autorität“) Macht oder auch Vertrauen – und erwartet im Gegenzug dafür bestimmte Dienste.
Meine These ganz zu Beginn: Häufig meinen wir, wenn wir von Führung sprechen, gar nicht Führung – sondern Autorität. Deswegen widmet sich dieser erste Teil der Serie der Autorität.
Was ist Autorität? Autorität ist eine Rolle in einem sozialen System. Eine Gruppe von Menschen („die Autorisierer“) gibt einer Person („der Autorität“) Macht oder auch Vertrauen – und erwartet im Gegenzug dafür bestimmte Dienste. Zu den Diensten, die Autoritäten häufig erbringen müssen gehören: Schutz. Anleitung und Orientierung. Ordnung. Repräsentation.
Zwischen Autorisieren und Autorität besteht demnach ein sensibles Beziehungsverhältnis. Autoritäten sind häufig sehr darauf bedacht (und damit beschäftigt), die erwünschten Dienste zu erbringen. Denn wenn sie dies nicht tun, entziehen die Autorisierer das geschenkte Vertrauen oder die erteilte Macht. Man denke an die Genauigkeit, mit der Politiker ihre Umfragewerte studieren, aber auch an die Bedeutung von 360-Grad-Feedbacks für Manager.
Autorität kann eine nützliche Art sein, die Zusammenarbeit und das Zusammenleben von Gruppen zu organisieren. Zweifelsohne lässt sich das Beziehungsverhältnis „Macht und Vertrauen für Autoritätsdienste“ missbrauchen. Viele von uns haben selbst die Erfahrung gemacht, dass Menschen in Autoritätsrollen nicht sorgsam mit dem ihnen geschenkten Vertrauen umgegangen sind. Kein Wunder, dass viele Menschen argwöhnisch werden, wenn es um Autorität geht. Unsere persönlichen Erfahrungen prägen somit unser Verhältnis zu Autorität.
In unseren Trainings setze ich häufig eine Übung ein, bei der ich als Trainerin in der Autoritätsrolle für eine bestimmte Zeit Autoritätsdienste unterlasse. Ich gebe der Gruppe eine Aufgabe und setze mich dann hin und sage nichts mehr, gebe auch nonverbal keinerlei Orientierung. Das erzeugt in der Gruppe sofort Unruhe und Unbehagen, gar Ärger. Denn die Teilnehmenden erwarten für das Vertrauen, das sie mir schenken, dass ich sie schütze, anleite und für Ordnung sorge. So wird im Hier-und-Jetzt das Bedürfnis nach „guter“ Autorität deutlich und erlebbar.
Autorität ist etwas, was verliehen werden kann, etwa durch ein Amt, eine Stellenbeschreibung, eine Wahl oder einen Titel. Diese Form von Autorität bezeichnen wir als formell. Einmal verliehen, bleibt formelle Autorität uns einige Zeit stabil erhalten – so lange wie wir das Amt bekleiden oder die Position innehaben.
Informelle Autorität wird hingegen verdient, etwa durch Expertise, die wir zu einem Thema haben, durch unsere Erfahrung, Seniorität, Glaubwürdigkeit oder Beliebtheit. Da unsere Autorisierer immer wieder neu darüber urteilen, unterliegt informelle Autorität wesentlich größeren und kurzlebigeren Schwankungen als formelle Autorität.
Zwei Beispiele:
Im Facebook-Konzern ist Mark Zuckerberg die höchste formelle Autorität. Sein Vorstand erwartet von ihm, dass er die allgemeine Richtung und Produktstrategie des Unternehmens entwickelt. Als Facebook Nutzerin bestimmte ich wiederum seine informelle Autorität mit – je nachdem, ob ich glaube, dass Facebook die Daten, die ich zur Verfügung stelle, schützt oder nicht.
Greta Thunberg: Die 16-jährige Schülerin und Klima-Aktivisten hat keine formelle Autorität, denn sie bekleidet kein formales Amt. Dass viele Menschen sich an ihr orientieren ist vielmehr darauf zurück zu führen, dass sie sich durch Repräsentation Autorität verdient, also informell. Die Greta-Anhänger, beispielsweise die vielen Schülerinnen und Schüler, die wöchentlich die Fridays-for-Future Demos besuchen, schreiben ihr eine hohe informelle Autorität zu, denn Greta erbringt einen Dienst der Repräsentation.
Was bedeutet all das nun für deine Arbeit?
In Hinblick auf dein Umfeld (z.B. deine Arbeit) kannst du dich fragen, wie es um deine formelle Autorität steht. Wer verleiht dir formelle Autorität und welche Dienste werden im Gegenzug erwartet? In Hinblick auf deine informelle Autorität kannst du dich fragen, bei welchen Menschen du Vertrauen und Ansehen genießt und welche dich kritisch sehen – und weshalb.
Aber welche Implikationen hat das nun für dein Handeln? Ist es immer besser, mehr Autorität zu haben? Und was hat all das mit Führung zu tun? Dazu demnächst mehr im 2. Teil der Serie.
Mehr Klarheit im Führungs-Dickicht
Doch was genau bedeutet eigentlich Führung?
Mit dieser Blogpost-Serie möchte ich Licht im Dickicht schaffen und euch eine andere – und hoffentlich klarere und praktikablere Art – über Führung nachzudenken mitgeben.
Führung ist in aller Munde. Ein Blick auf die Schlagzeilen der letzten Wochen: Bahn-Führung unter Beschuss. Modehaus ordnet Führung neu. Scholz bietet der SPD Führung an. Die Wirtschaftswoche beklagt „Führungskräfte ohne Digitalstrategie“.
Doch was genau bedeutet eigentlich Führung? Geht es um ein Amt oder eine Position? Geht es um die Personen, die diese Ämter innehaben, also um die „Führungskräfte“? Geht es um das Handeln, etwa darum, andere im Sinne eines gemeinsamen Ziels zu beeinflussen? Und nicht zuletzt: Ist Führung erlernbar oder eher ein angeborenes Persönlichkeitsmerkmal – Stichwort „Führungspersönlichkeit“?
In der Umgangssprache sowie im journalistischen Sprachgebrauch wird der Begriff vielfältig verwendet. Auch in der Forschung zum Thema Führung herrscht keine Einigkeit zu der Frage, was Führung eigentlich ist. Es werden zahlreiche, teils widersprüchliche Definitionen vorgelegt.
Mit dieser Blogpost-Serie möchte ich Licht im Dickicht schaffen und euch einen neuen - und hoffentlich klaren und praktikablen - Führungsbegriff mitgeben.
Diese Blogpost-Serie besteht aus drei Teilen:
Im 1. Teil geht es um Autorität, die häufig fälschlicherweise mit Führung gleichgesetzt wird
Im 2. Teil stelle ich eine neue Art Führung zu definieren vor, nach der Führung eine Aktivität ist
Teil 3 geht der Frage nach, wie jeder (auch du!) mit und ohne Autorität führen kann
Diese Art über Führung (und Autorität) nachzudenken empfinde ich persönlich als sehr erhellend und hilfreich, auch für mein eigenes Handeln. Und die Kunden, mit denen meine Kolleg*innen und ich die Konzepte in Training, Beratung oder Coaching teile, empfinden ebenso.
Full disclosure: Diese Ideen sind nicht unsere, sondern stammen von Ronald Heifetz von der Harvard Kennedy School of Government, der seit über 30 Jahren zum Thema Führung forscht und lehrt, bei dem ich selbst gelernt habe.
Hier geht es zu Teil 1 der Serie.