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Konflikte, Unruhe, Hitze: Wann Konflikte schaden, wann sie helfen

Konflikte können sehr hilfreich sein!

Wir verwenden aber doch sehr viel Zeit, Energie und Geld darauf, Konflikte möglichst gar nicht erst entstehen zu lassen oder zumindest so schnell wie möglich aus dem Weg zu räumen. Warum tun wir das, wenn Konflikte produktiv sind?

Konflikte können sehr hilfreich sein! Deshalb lohnt es sich daran zu arbeiten Konflikte besser aushalten zu können (Das ist eine merkwürdige Idee für dich? Dann schau doch mal in diesen Blogpost!).

Wir verwenden sehr viel Zeit, Energie und Geld darauf, Konflikte möglichst gar nicht erst entstehen zu lassen oder zumindest so schnell wie möglich aus dem Weg zu räumen. Die Nachfrage nach Moderatoren und Konfliktmediatoren boomt. Die Führungskräfte, die ich begleite, berichten oft davon, wieviel „Druck von oben“ sie nicht an ihr Team weitergeben, um keinen Konflikt aufkommen zu lassen. Warum tun wir das, wenn Konflikte produktiv sind?

Aus gutem Grund. Denn natürlich sind nicht alle Konflikte hilfreich. Nur wo liegt die Grenze? Woran kannst du merken, dass ein Konflikt schadet und nicht nützt?

Eine Möglichkeit ist sich vorzustellen, dass bei einem Konflikt „Hitze“ oder auch „Unruhe“ entsteht. Das Ausmaß der Hitze kann jedoch schwanken:

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  1. Geringe Hitze = Komfortzone: Hier findet wenig produktive Auseinandersetzung statt. Oft ist das der Zustand, in dem Menschen einen Konflikt unter den Teppich kehren.

  2. Sehr hohe Hitze = Panikzone: Hier findet auch wenig produktive Auseinandersetzung statt, denn die Menschen fühlen sich durch den Konflikt überfordert.

  3. Zwischen diesen beiden Zonen = Lernzone: Der Bereich, in dem Lernen und nachhaltige Transformation stattfindet, in dem die Menschen sich beteiligen und Fortschritte erzielen.

Konflikte sind also immer dann hilfreich, wenn die Hitze angemessen dosiert ist: Es muss dringend und heiß genug sein, dass sich die betroffenen Personen aus ihrer Komfortzone herausbewegen und dass Lernen und Auseinandersetzung möglich sind. Gleichzeitig darf die Toleranzschwelle der Personen nicht überschritten werden – es darf nicht zu heiß werden.

Auf Hitze und Anspannung reagieren Menschen immer auch emotional. Um herauszufinden, wo du selbst, dein Team oder deine Organisation gerade diesbezüglich steht, ist es wichtig, Emotionen umsichtig und treffsicher wahrzunehmen. Deshalb wird zur Zeit so viel über emotionale Intelligenz gesprochen. Außerdem lohnt es sich gut einzuordnen, ob das, was du beobachtest, ein Anzeichen für Lernen, für Panik oder für Komfort ist.

Am besten fängst du bei dir selbst an und beobachtest einmal deinen Arbeitstag. Wann lernst du am meisten dazu? Wie gut entwickelst du dich, wenn der Tag seinen üblichen Lauf geht? Wie sehr lernst du, wenn auch mal Reibungen mit Teammitgliedern entstehen? Wie verändert sich das, wenn es zu heiß wird – wie reagierst du dann?

Dieselben Fragen und Beobachtungen kannst du auf dein Team oder deine Organisation übertragen.

Mögliche Indikatoren für Lernen sind:

  • Es wird inhaltlich und authentisch diskutiert

  • Es werden offen kontroverse Standpunkte angesprochen

Einige Indikatoren für Panik (und Achtung! Panik bedeutet nicht nur „wütendes oder ängstliches Ausagieren“ sondern kann alle Formen von Fight, Flight, Freeze annehmen), z.B.:

  • Mentales rausbeamen

  • Tatsächliches Verlassen des Raumes/des Meetings

  • Attackieren, Bloßstellen, schwarze Peter zuschieben

  • Diskussionen über die Art der Treffen, die Art der Moderation, …

  • Festhalten an technischen Aspekten des Problems

Einige Indikatoren für Komfort können sein:

  • Passive Teilnahme

  • Keine oder nur vereinzelte Verantwortungsübernahme

  • Wenig Beteiligung (explizit verbal oder auch wenig Mitdenken)

 
Im ersten Schritt lohnt es sich, besser darin zu werden Konflikte, die Hitze die dadurch bei dir und anderen entsteht und den Umgang damit zu beobachten. Die drängende Frage ist anschließend natürlich: Wie kann ich die Temperatur regulieren? Wann und wie steuere ich mich selbst, mein Team und meine Organisation damit Lernen stattfindet? Mehr dazu im nächsten Blogpost.

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Elisabeth Heid Elisabeth Heid

Führung ist eigentlich ein Verb.

Oft setzen wir Führung mit Autorität gleich. Auch umgangssprachlich: Sprechen wir etwa von Führungskräften meinen wir Menschen in Autoritätsrollen. In Abgrenzung zu Autorität und anders als in der Umgangssprache findest du hier eine neue Art über Führung nachzudenken.

Der 1. Teil der Blog-Post Serie handelte von Autorität. Autorität verleihen wir an andere Personen, damit diese uns schützen, unsere Probleme lösen, uns anleiten oder uns repräsentieren. In diesem Blog-Post soll es nun um Führung gehen. Oft setzen wir Führung mit Autorität gleich, auch umgangssprachlich: Sprechen wir etwa von Führungskräften meinen wir Menschen in Autoritätsrollen.

Ich möchte dich einladen, anders über Führung nachzudenken und zwischen Führung und Autorität deutlicher zu unterscheiden – ganz im Sinne des Titels dieser Serie („mehr Klarheit im Führungsdickicht“). In Abgrenzung zu Autorität und anders als in der Umgangssprache, bietet die folgende Definition eine neue Art über Führung nachzudenken:

Führung ist etwas was man tut, also eine Aktivität. Und zwar die Aktivität, Gruppen zu mobilisieren, adaptive Herausforderungen anzugehen und Fortschritte zu erzielen.

Bei Führung geht es also – anders als bei Autoritätsdiensten – nicht darum, Menschen vor ihren Problemen zu schützen oder sie ihnen gar abzunehmen. Vielmehr geht es darum, Menschen mit ihren hartnäckigen Problemen zu konfrontieren und diese an die betroffenen Personen „zurückzugeben“, damit sie bearbeitet werden können.

Führung bedeutet damit häufig, Menschen zu helfen

  • eine bittere Realität anzuerkennen

  • die Lücke zwischen Wunschbild und Realität zu schließen

  • Werte und Normen, Besitzstände und Privilegien auf den Prüfstand zu stellen

  • Verluste zu verkraften

  • eigene Lernprozesse zu befördern und neue Fähigkeiten zu entwickeln

Zur adaptiven Herausforderung “Klimawandel” können sowohl Aktivisten als auch Staats- und Regierungschefs führen.

Zur adaptiven Herausforderung “Klimawandel” können sowohl Aktivisten als auch Staats- und Regierungschefs führen.

Was hier bereits deutlich wird: Führung ist alles andere als einfach. Wen ich Menschen mit ihren Problemen konfrontiere — statt sie für sie zu lösen – dann mache ich mich nicht unbedingt beliebt. Oft genug werde ich damit die Erwartungen von Menschen an mich sogar enttäuschen. Denn Führung bedeutet, dass ich von anderen einfordere, dass sie sich raus aus der Komfortzone und rein ins unbequeme Neuland bewegen.

Beispiel Klimawandel: Der Klimawandel ist eine bittere Wahrheit, der viele von uns aus dem Weg gehen. Ein Blick auf meine Flüge im vergangenen Jahr belegen, dass auch ich mich davor winde. Die Schülerin Greta Thunberg mobilisiert mich und viele andere, über das Privileg „Fliegen“ nachzudenken. Sie fordert mich dazu auf, auf die nächste Flugreise zu verzichten und zu überdenken, was denn nun einen „guten Urlaub“ ausmacht. Wie sähe Führung zu diesem Thema aus der Politik aus? Kanzlerin Merkel könnte die Abgeordneten von CDU, SPD und anderen Parteien dazu mobilisieren, einer Besteuerung von CO2-Emissionen zuzustimmen. Was hält sie davon ab? Vermutlich die Verluste, die für die deutsche Industrie damit einhergehen würden.   

Führen kann sowohl die Chefin als auch die Mitarbeiterin.

Führen kann sowohl die Chefin als auch die Mitarbeiterin.

Wenn ich Führung als eine Aktivität verstehe, kann ich jederzeit führen — unabhängig davon wieviel Autorität ich habe. Man denke etwa an ein Unternehmen, das sich in Punkto Fehlerkultur und Lernfähigkeit verbessern möchte (ein Anliegen vieler unserer Kunden). Hier geht es darum, die Lücke zwischen Wunschbild („Hier darf jeder Fehler zugeben“) und der Realität („Fehler werden hier verdeckt“) anzuerkennen und nach und nach zu schließen. Mitarbeitende müssen lernen, Fehler zu benennen und Unbequemes anzusprechen. Als Chefin oder aber als Praktikantin kann ich führen, indem ich das Erlernen dieser neuen Fähigkeit vorlebe. Die eigene Position in der Hierarchie bringt für meine Fähigkeit zu führen bestimmte Vorteile aber auch Einschränkungen mit sich. (Dazu mehr im Teil 3).

Was haltet ihr davon, Führung als Aktivität zu begreifen? Was findet ihr spannend? Was verursacht womöglich Unbehagen?

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Elisabeth Heid Elisabeth Heid

Autorität: die zwiespältige Macht, Erwartungen erfüllen zu müssen

Häufig meinen wir, wenn wir von Führung sprechen, gar nicht Führung – sondern Autorität. Was ist Autorität? Autorität ist eine Rolle in einem sozialen System. Eine Gruppe von Menschen („die Autorisierer“) gibt einer Person („der Autorität“) Macht oder auch Vertrauen – und erwartet im Gegenzug dafür bestimmte Dienste. 

Meine These ganz zu Beginn: Häufig meinen wir, wenn wir von Führung sprechen, gar nicht Führung – sondern Autorität. Deswegen widmet sich dieser erste Teil der Serie der Autorität. 

Was ist Autorität? Autorität ist eine Rolle in einem sozialen System. Eine Gruppe von Menschen („die Autorisierer“) gibt einer Person („der Autorität“) Macht oder auch Vertrauen – und erwartet im Gegenzug dafür bestimmte Dienste. Zu den Diensten, die Autoritäten häufig erbringen müssen gehören: Schutz. Anleitung und Orientierung. Ordnung. Repräsentation.

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Zwischen Autorisieren und Autorität besteht demnach ein sensibles Beziehungsverhältnis. Autoritäten sind häufig sehr darauf bedacht (und damit beschäftigt), die erwünschten Dienste zu erbringen. Denn wenn sie dies nicht tun, entziehen die Autorisierer das geschenkte Vertrauen oder die erteilte Macht. Man denke an die Genauigkeit, mit der Politiker ihre Umfragewerte studieren, aber auch an die Bedeutung von 360-Grad-Feedbacks für Manager.

Autorität kann eine nützliche Art sein, die Zusammenarbeit und das Zusammenleben von Gruppen zu organisieren. Zweifelsohne lässt sich das Beziehungsverhältnis „Macht und Vertrauen für Autoritätsdienste“ missbrauchen. Viele von uns haben selbst die Erfahrung gemacht, dass Menschen in Autoritätsrollen nicht sorgsam mit dem ihnen geschenkten Vertrauen umgegangen sind. Kein Wunder, dass viele Menschen argwöhnisch werden, wenn es um Autorität geht. Unsere persönlichen Erfahrungen prägen somit unser Verhältnis zu Autorität. 

In unseren Trainings setze ich häufig eine Übung ein, bei der ich als Trainerin in der Autoritätsrolle für eine bestimmte Zeit Autoritätsdienste unterlasse. Ich gebe der Gruppe eine Aufgabe und setze mich dann hin und sage nichts mehr, gebe auch nonverbal keinerlei Orientierung. Das erzeugt in der Gruppe sofort Unruhe und Unbehagen, gar Ärger. Denn die Teilnehmenden erwarten für das Vertrauen, das sie mir schenken, dass ich sie schütze, anleite und für Ordnung sorge. So wird im Hier-und-Jetzt das Bedürfnis nach „guter“ Autorität deutlich und erlebbar. 

Formelle Autorität wird verliehen. Informelle Autorität wird verdient - und wird damit andauernd ausgehandelt.

Formelle Autorität wird verliehen. Informelle Autorität wird verdient - und wird damit andauernd ausgehandelt.

Autorität ist etwas, was verliehen werden kann, etwa durch ein Amt, eine Stellenbeschreibung, eine Wahl oder einen Titel. Diese Form von Autorität bezeichnen wir als formell. Einmal verliehen, bleibt formelle Autorität uns einige Zeit stabil erhalten – so lange wie wir das Amt bekleiden oder die Position innehaben.

Informelle Autorität wird hingegen verdient, etwa durch Expertise, die wir zu einem Thema haben, durch unsere Erfahrung, Seniorität, Glaubwürdigkeit oder Beliebtheit. Da unsere Autorisierer immer wieder neu darüber urteilen, unterliegt informelle Autorität wesentlich größeren und kurzlebigeren Schwankungen als formelle Autorität.

Zwei Beispiele: 

  • Im Facebook-Konzern ist Mark Zuckerberg die höchste formelle Autorität. Sein Vorstand erwartet von ihm, dass er die allgemeine Richtung und Produktstrategie des Unternehmens entwickelt. Als Facebook Nutzerin bestimmte ich wiederum seine informelle Autorität mit – je nachdem, ob ich glaube, dass Facebook die Daten, die ich zur Verfügung stelle, schützt oder nicht.

  •  Greta Thunberg: Die 16-jährige Schülerin und Klima-Aktivisten hat keine formelle Autorität, denn sie bekleidet kein formales Amt. Dass viele Menschen sich an ihr orientieren ist vielmehr darauf zurück zu führen, dass sie sich durch Repräsentation Autorität verdient, also informell. Die Greta-Anhänger, beispielsweise die vielen Schülerinnen und Schüler, die wöchentlich die Fridays-for-Future Demos besuchen, schreiben ihr eine hohe informelle Autorität zu, denn Greta erbringt einen Dienst der Repräsentation. 

Was bedeutet all das nun für deine Arbeit?

In Hinblick auf dein Umfeld (z.B. deine Arbeit) kannst du dich fragen, wie es um deine formelle Autorität steht. Wer verleiht dir formelle Autorität und welche Dienste werden im Gegenzug erwartet? In Hinblick auf deine informelle Autorität kannst du dich fragen, bei welchen Menschen du Vertrauen und Ansehen genießt und welche dich kritisch sehen – und weshalb.

Aber welche Implikationen hat das nun für dein Handeln? Ist es immer besser, mehr Autorität zu haben? Und was hat all das mit Führung zu tun? Dazu demnächst mehr im 2. Teil der Serie.

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Elisabeth Heid Elisabeth Heid

Mehr Klarheit im Führungs-Dickicht

Doch was genau bedeutet eigentlich Führung?

Mit dieser Blogpost-Serie möchte ich Licht im Dickicht schaffen und euch eine andere – und hoffentlich klarere und praktikablere Art – über Führung nachzudenken mitgeben.

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Führung ist in aller Munde. Ein Blick auf die Schlagzeilen der letzten Wochen: Bahn-Führung unter Beschuss. Modehaus ordnet Führung neu. Scholz bietet der SPD Führung an. Die Wirtschaftswoche beklagt „Führungskräfte ohne Digitalstrategie“.

Doch was genau bedeutet eigentlich Führung? Geht es um ein Amt oder eine Position? Geht es um die Personen, die diese Ämter innehaben, also um die „Führungskräfte“? Geht es um das Handeln, etwa darum, andere im Sinne eines gemeinsamen Ziels zu beeinflussen? Und nicht zuletzt: Ist Führung erlernbar oder eher ein angeborenes Persönlichkeitsmerkmal – Stichwort „Führungspersönlichkeit“?

In der Umgangssprache sowie im journalistischen Sprachgebrauch wird der Begriff vielfältig verwendet. Auch in der Forschung zum Thema Führung herrscht keine Einigkeit zu der Frage, was Führung eigentlich ist. Es werden zahlreiche, teils widersprüchliche Definitionen vorgelegt.

Mit dieser Blogpost-Serie möchte ich Licht im Dickicht schaffen und euch einen neuen - und hoffentlich klaren und praktikablen - Führungsbegriff mitgeben.

Diese Blogpost-Serie besteht aus drei Teilen:

Diese Art über Führung (und Autorität) nachzudenken empfinde ich persönlich als sehr erhellend und hilfreich, auch für mein eigenes Handeln. Und die Kunden, mit denen meine Kolleg*innen und ich die Konzepte in Training, Beratung oder Coaching teile, empfinden ebenso.

Full disclosure: Diese Ideen sind nicht unsere, sondern stammen von Ronald Heifetz von der Harvard Kennedy School of Government, der seit über 30 Jahren zum Thema Führung forscht und lehrt, bei dem ich selbst gelernt habe.

Hier geht es zu Teil 1 der Serie.

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Judit Teichert Judit Teichert

BEWUSSTER Führen: Von Problemen und Lösungen

Immer wenn ich ein Führungstraining gebe, stehe ich als vermeintliche Expertin vorne und spüre den Druck, bitte endlich zu sagen, was wer zu tun hat und wie es richtig geht. Die Versuchung Lösungen zu präsentieren um zu gefallen (oder um nicht in Ungnade zu fallen) ist immens hoch. Manchmal kann ich Anleitungen oder Antworten geben – manchmal jedoch nicht. Weil ich es auch nicht weiß. Weil ich es gar nicht wissen kann und die Menschen ihre eigenen Erfahrungen machen und ihren eigenen Weg finden müssen.

Genauso geht es vielen Menschen im Arbeitsalltag, insbesondere dann, wenn sie Verantwortung tragen und viele Menschen sich an ihnen orientieren, wenn es schwierig wird. Wann sollten wir in solchen Situationen Lösungen vorgeben? Wann sollten wir die Lösung an Experten delegieren? Und wann sollten wir den Menschen Raum geben, um ihre eigenen Antworten zu finden?

Immer wenn ich ein Führungstraining gebe, stehe ich als vermeintliche Expertin vorne und spüre den Druck, bitte endlich zu sagen, was wer zu tun hat und wie es richtig geht. Die Versuchung Lösungen zu präsentieren um zu gefallen (oder um nicht in Ungnade zu fallen) ist immens hoch. Manchmal kann ich Anleitungen oder Antworten geben – manchmal jedoch nicht. Weil ich es auch nicht weiß. Weil ich es gar nicht wissen kann und die Menschen ihre eigenen Erfahrungen machen und ihren eigenen Weg finden müssen.

Genauso geht es vielen Menschen im Arbeitsalltag, insbesondere dann, wenn sie Verantwortung tragen und viele Menschen sich an ihnen orientieren, wenn es schwierig wird. Wann sollten wir in solchen Situationen Lösungen vorgeben? Wann sollten wir die Lösung an Experten delegieren? Und wann sollten wir den Menschen Raum geben, um ihre eigenen Antworten zu finden?

Eine Unterscheidung, die uns strategischer mit diesen Fragen umgehen lässt, ist die zwischen technischen und adaptiven Herausforderungen von Ronald Heifetz. Um diese Unterscheidung zu verdeutlichen, ein Beispiel aus einem ganz anderen Kontext: 

Wenn jemand einen Herzinfarkt hat, kommt der Patient – zum Glück – in den meisten Fällen rasch ins Krankenhaus. Dort wird dann diagnostiziert, dass die Herzkranzgefäße blockiert sind. Das Problem ist dadurch klar definiert. Daraus können die zuständigen Ärzte eine ebenso klare Lösung ableiten: Es braucht ein Medikament oder eine Operation um die Versorgung des Herzmuskels wieder zu gewährleisten. Das Problem ist „gelöst“. Die Lösung des Problems können wir getrost in die Hände von Experten (in diesem Fall das medizinische Team) geben, Hindernisse für diese Lösung liegen vor allem im Bereich von Ressourcen (Zeit, Geld, die medizinische Infrastruktur des Landes). Diese Art von Herausforderungen nennen wir „technisch“.

Nach der OP aber kommt eine ganz andere Sorte Herausforderung: Die Reha und die Ärzte sagen dem Patienten dann „Sie haben offenbar eine koronare Herzerkrankung.” Unklar bleibt dabei jedoch häufig, was die genaue Ursache dafür ist. Die Ernährung umzustellen, Stress zu reduzieren, mehr Sport zu treiben – all das wird von Patient zu Patient unterschiedlich aussehen. Keine dieser „Lösungen“ kann der Patient an den Arzt abgeben, er (oder sie) muss das eigene Verhalten verändern. Und keine dieser Lösungen wird je „abgehakt“ werden können – wir müssen uns kontinuierlich weiter darum bemühen. Dabei stehen uns Geld, Zeit und andere Ressourcen wesentlich weniger im Weg als unsere Gewohnheiten, unsere Werte, unsere Kultur, unsere Loyalitäten und unsere Sorgen. Diese Art von Herausforderungen sind „adaptiv“.

Technische vs. adaptive Herausforderungen

Technische vs. adaptive Herausforderungen

Zwischen technischen und adaptiven Herausforderungen zu unterscheiden kann sehr hilfreich dafür sein, strategischer zu führen. Ist ein Problem vorrangig technischer Natur, kann ich es als Experte lösen (oder ich suche mir einen Experten, der das für mich tut). Ist es jedoch vor allem adaptiver Natur, dann besteht meine Aufgabe darin, die betroffenen Personen in einem Lernprozess zu begleiten. Das bedeutet, dass ich Komplexität und Unsicherheit aushalten und Verantwortung zurückspielen können muss. 

Die Probleme, mit denen wir im beruflichen Kontext konfrontiert sind, haben häufig sowohl technische als auch adaptive Bestandteile. Ein Beispiel aus unserer Beratungspraxis: Ein Unternehmen möchte, dass seine Mitarbeiter über Standorte und Abteilungen hinweg stärker zusammenarbeiten. Dafür hat das Unternehmen eine Firma beauftragt, eine Online-Plattform mit Chat-Funktion einzurichten. Zudem wurden zusätzliche, abteilungsübergreifende Meetings eingerichtet. Dies sind beides technische Lösungen für technische Aspekte des Problems. Doch nach einem halben Jahr hat sich kaum etwas verändert. Die Online Forum wird fast gar nicht besucht und in den Meetings versucht jeder möglichst gut dazustehen. Dieser Teil der Herausforderung ist adaptiv. In unserer Beratungsarbeit erleben wir oft, dass die adaptiven Aspekte vernachlässigt werden – und Veränderung deswegen oft auf der Strecke bleibt.

Welche Erfahrungen macht ihr damit? Kennt ihr Beispiele, bei denen Probleme nur technisch angegangen wurden? Und wie begegnet ihr adaptiven Herausforderungen?

Aufbauend auf: Heifetz, R., Grashow, A., Linsky, M. (2009). The Practice of Adaptive Leadership. Boston, MA: Harvard Business School Press.

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